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GESCHICHTE

GESCHICHTE DES GEBÄUDES

Die Geschichte der Alten Synagoge in Heppenheim ist lang und wechselvoll. Sie ist eng verknüpft mit den Schicksalen der Menschen, die das Gebäude bewohnt und genutzt haben. Von der jüdischen Gemeinde über den Friseur Alfred Sturm bis zum Förderverein Kulturdenkmal Alte Synagoge Heppenheim e.V. – hier werden die spannenden Geschichten von Bewohner und Gebäude erzählt.

  • Bauzeit Alte Synagoge - Bewahren um zu lernen
    Die Alte Synagoge in Heppenheim ist ein giebelständiges Wohn- und Geschäftshaus, das um 1791 von der jüdischen Gemeinde als Synagoge, Schule und Lehrerwohnung erbaut wurde. Es handelt sich um einen zweigeschossigen Fachwerkbau mit Satteldach, der aus zwei konstruktiv getrennten Bauteilen besteht. Das Erdgeschoss und die Längswände sind massiv ausgeführt, während die Fassade und die Rückwand in Fachwerk gestaltet sind - dies ist einzig für Südhessen.

    Die Fassade ist vierachsig gegliedert und weist im Giebel zwei Rundfenster auf, die ursprünglich jeweils einen Davidstern in farbigem Glas zeigten. Im Obergeschoss befand sich der Gottesdienstraum mit einem blau gestrichenen Tonnengewölbe, das noch heute erhalten ist. Im Erdgeschoss waren der Schulraum und die Lehrerwohnung untergebracht. Nach dem Bau der neuen Synagoge am Starkenburgweg in den Jahren 1900/01 wurde die alte Synagoge verkauft und zu Wohnzwecken* umgebaut. Da die neue Synagoge im Jahre 1938 zerstört wurde, ist das Gebäude ein bedeutendes Zeugnis für die Geschichte der Heppenheimer Juden.

    *Falsche Information aus Buch für Denkmaltopografie der Bundesrepublik Deutschland. Korrekt ist "Geschäftszwecken"

  • Emanuel Mayerhof - Transformation einer ehem. Synagoge in ein Geschäftshaus
    Im Jahr 1901 erwarb Emanuel Mayerhof das Haus neben seinem Gebäude Kleine Bach 1. Sein Ziel war es, aus der ehemaligen Synagoge und seinem Haus ein Geschäftshaus für Kurz- und Weissware zu machen. Er verband die beiden Gebäude auf allen Etagen über Durchgänge miteinander und schuf einen modernen Geschäftsbaudirekt neben seinem Zuhause.

    Er führte umfassende Umbauten an dem neu erworbenen Gebäude durch und senkte den Boden des Ladenraums um 75cm ab, um moderne, attraktive Schaufenster und ebenerdige Geschäftsräume zu erhalten. Wegen der umfangreichen Umbauten wurde für die Gewährleistung einer ausreichenden Statik zwei Doppel-Träger über die gesamte Gebäudetiefe in Süd-Nordausrichtung unter die Decke des Obergeschosses eingezogen. Das Gewölbe im Keller wich einer moderneren Kappendecke.

    Die Fassade gestaltete er neu, indem er sie symmetrisch mit Sims- und Sandsteingewänden gliederte und verputzte und die Fenster durch großzügige und bodentiefe Schaufenster austauschte. Den ehemaligen Betsaal teilte er in zwei Etagen auf, wobei er die obere Etage als Lager nutzte. Er verband die Dächer der beiden Gebäude miteinander und schaffte einen Zugang auch auf dieser Ebene zwischen den Häusern, um sein Lager zu erreichen.

  • Leopold Sturm - Die bauliche Trennung der Gebäude
    1933 verstarb seine Frau Hannchen Mayerhof und im folgenden Jahr wurde das Gebäude an die Bezirkssparkasse verkauft. Nachdem Leopold Sturm, ein Friseurmeister, der zuvor sein Geschäft auf dem Marktplatz betrieben hatte, kaufte 1936 das Gebäude und eröffnete dort sein Geschäft. Um die beiden Gebäude voneinander zu trennen, wurden die Durchgänge im Keller und die Türen im Erdgeschoss, Obergeschoss und Dachgeschoss zugemauert. Dies war der Grund, dass er einen extra Zugang durch eine Luke in den Keller und einen Dachgeschossaufgang im Obergeschoss einbringen musste.

    Das Gebäude verlor seine Verbindung zum ehemaligen Wohnhaus von Emanuel Mayerhof, welcher 1935 verstarb. In dieser Zeit gab es wohl kaum gravierende bauliche Veränderungen. Allerdings musste Leopold Sturm im Jahr 1938 auf Druck der NS-Behörden die David-Sterne in den beiden runden Fenstern entfernen und durch eine Sprossenverglasung ersetzen. Damit wurde ein weiteres Symbol der jüdischen Geschichte des Gebäudes beseitigt.

  • Alfred Sturm - Ein Blick in die Sterne
    Nachdem Alfred Sturm 1955 das Friseurgeschäft seines Vaters Leopold Sturm übernommen hatte, widmete er sich auch seiner großen Leidenschaft: der Astronomie. Er war fasziniert von den Sternen und dem Weltraum und wollte sie näher erforschen. In Arbeitspausen schleifte er per Hand seinen ersten Teleskop-Spiegel, der 15cm groß war.

    Im Jahr 1960 erfüllte er sich seinen Traum und errichtete seine Dachsternwarte auf dem Gebäude Kleine Bach 3 um den Himmel besser beobachten zu können. Von dort aus studierte er die Sterne und Planeten. Er war einer der ersten Amateurastronomen in Heppenheim und wurde in der regionalen, astronomischen Szene sehr geschätzt. So war er auch Mitbegründer der Sternwarte Starkenburg, die 1973 am Schlossberg eröffnet wurde. Danach brauchte Alfred Sturm seine private Dachsternwarte nicht mehr und er baute sie ab. Der massive konstruktive Eingriff in das Dach musste wieder rückgängig gemacht werden. In diesem Zuge wurde das Dach neu mit Frankfurter Pfannen neu eingedeckt. Vermutlich wurde in diesem Zusammenhang auch die Fassade freigelegt und saniert, die seit Emanuel Mayerhof verputzt war.*

    * Gesichert sind die Informationen von 1960 bezüglich der Dachsternwarte, Entwässerung und Raumaufteilung. Der Zeitpunkt wann das Dach saniert und das Fachwerk freigelegt wurde, sind Spekulation.

  • bis Kauf durch die Stadt Heppenheim - Ein Begegnungs- und Erinnerungsort
    1985 renovierte Alfred Sturm das Gebäude zum letzten Mal umfassend und baute Profilholzdecken und Wandverkleidungen in fast allen Räumen ein.

    Nach der Aufgabe seines Friseurgeschäfts lebte Alfred Sturm weiterhin im Obergeschoss. Die Räume im Erdgeschoss wurden im Laufe der Jahre an verschiedene Nutzer vermietet. Zunächst bot eine Tanzschule dort Kurse an und später zog eine Malschule ein. 2016 starb Alfred Sturm im Alter von 92 Jahren und das Haus stand leer. 2017 erwarb die Stadt Heppenheim das Gebäude, um es als bedeutendes Kulturdenkmal zu bewahren.

    Zwei Jahre später wurde der Förderverein „Kulturdenkmal Alte Synagoge Heppenheim“ gegründet. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, das historische und gesellschaftliche Erbe der Alten Synagoge zu bewahren und zu beleben. Der Verein hat das Gebäude treuhänderisch von der Stadt Heppenheim übernommen, die es für kulturelle Zwecke sanieren möchte. Ein wichtiges Ziel ist die erneute Sichtbarmachung des Betsaals, um die ursprüngliche Raumwirkung wiederherzustellen. Nach der Sanierung soll das Gebäude nicht nur ein Denkmal sein, sondern ein lebendiger Ort für Begegnung und Erinnerungskultur. Es soll vielfältig genutzt werden können, zum Beispiel als Lehr- und Lernort, Versammlungsraum, Bibliothek und Heimat für Vereine mit adäquater Zielsetzung.

  • Anträge + Rückbau - Grundlagen und Dokumentation
    Die erste Phase des Sanierungsprojekts umfasst drei Teile: die Bestandsaufnahme, die Untersuchung und die Erstellung der Grundlagen für die Entscheidungen für Phase 2. Im ersten Teil wird der Ist-Zustand des Gebäudes durch Aufmaß, Bauzeichnungen und Fotografien in einer umfangreichen Baudokumentation erfasst. Zudem werden erste Maßnahmen wie das Leerräumen des Gebäudes und das Entfernen von nicht relevanten Einrichtungen und Bauteilen durchgeführt. In Vorgesprächen mit dem Amt für Denkmalschutz und verschiedenen Fachleuten wie Restauratoren, Bauforschern und Architekten wird das weitere Vorgehen abgestimmt.

    Restauratorische Voruntersuchung zu bauzeitlichen Putz und Fachwerk werden durchgeführt, und ein Befundbericht erstellt. Aus den Erkenntnissen werden Maßnahmen abgeleitet, wie zum Beispiel die Sicherung des bauzeitlichen Putzes im Dachgeschoss. Des Weiteren wird eine erweiterte Baudokumentation über ein verformungsgetreues Aufmaß in der Genauigkeitsstufe III erstellt. Die Pläne werden auf dieser Basis aktualisiert und dienen als Grundlage für bauhistorische Untersuchungen.
    Aus deren Erkenntnissen werden Entscheidungen für weitere Maßnahmen abgeleitet und ein denkmalerfahrenes Architekturbüro eingebunden, das die Sanierung planen und begleiten wird. Kosten werden ermittelt sowie ein Finanzierungskonzept erstellt.

  • Vision: Bewahren um zu lernen! Ein Ort der Begegnung
    Um das historische und gesellschaftliche Erbe des Gebäudes der Alten Synagoge zu bewahren und zu beleben, soll der ursprüngliche Zustand des Gebäudes erforscht und dokumentiert werden. Die charakteristischen Merkmale und die Besonderheiten des Gebäudes sollen teilweise wiederhergestellt werden.Eine besondere Priorität liegt bei den bauzeitlichen Putzresten im Dachgeschoss, sie bilden nach der Restaurierung einen essentiellen Bestandteil des Betsaals. Dieser soll in seiner Kubatur über zwei Geschossebenen wieder rekonstruiert werden.

    Die Fassade im Erdgeschoss soll mit den Elementen aus der Zeit aus Mayerhof mit den großen bodentiefen Schaufenstern mit Fahrradstangen optisch bestehen bleiben. Im Obergeschoss und Giebel wird Fachwerkfassade sichtbar bleiben. Für die runden bauzeitlichen Fenster ist die Restaurierung angedacht, ggf. sogar wieder mit Davidstern. Im Erdgeschoss werden sich die Funktionsräume befinden, die eine vielfältige Nutzung ermöglichen und für Veranstaltungen wie Vorträge oder Ausstellungen genutzt werden können.

    Das Gebäude der Alten Synagoge soll ein lebendiger Ort der Begegnung, des Lernen und der Erinnerung werden. Sie kann allen eine Heimat geben, die sich für den Erhalt der Demokratie und ein friedvolles Zusammenleben einsetzen.